Über mich

Gefühle auslösen, Gefühle einfangen

Fotografin Margit Wild, Foto: T. Wild

Text: Lars Herde

Für wilde Motive, spannende Fotos und ihren besonderen Blick auf die Welt hat Margit Wild in den letzten 20 Jahren nicht selten die Zähne zusammengebissen. Sei es, als sie mit Kamera die Seilbahn der Rostocker IGA bestieg und hoch über dem Ausstellungsgelände, auf der Suche nach den besten Motiven, die eigene Höhenangst über Bord warf. Sei es, wenn sie bei formellen Anlassen Promis aus Politik und Wirtschaft ins Licht rückt oder für eine einfühlsame Reportage die Bewohner einer Obdachlosen-Unterkunft oder eines Hospizes begleitet. Sei es, wenn sie sich für eine Story über heimische Landwirtschaft mit dem Radlader in die Höhe hieven lässt. „Jede Situation ist neu. Um eine Situation, eine Stimmung im Bild einzufangen, muss ich sie mit dem Auge erfassen. Und dann in Bruchteilen von Sekunden entscheiden.“

Für den Sprung in die Selbstständigkeit im April 2004 hat sich Margit Wild mehr Zeit gelassen. Geboren 1967 in Eberswalde, lernt Margit Wild nach der Schule einen Beruf mit dem sperrigen Titel „Facharbeiter für elektronische Datenverarbeitung“. Nach der Ausbildung arbeitet sie am Institut für Bodenkunde in Eberswalde. Fasziniert ist sie dort allenfalls von den Luftbildern; nach der Arbeit zieht sie mit ihrer kleinen Sucherkamera Taxona los, macht stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die sie zum Teil selbst entwickelt.

Die Umbrüche der Wende stellen die Weichen. 1992 zieht Margit Wild nach Rostock. Hier beginnt sie eine Fortbildung zur Mediengestalterin. Beim erfahrenen DEFA-Kameramann Hubert Dzikowski lernt sie, wie man ein Storyboard entwickelt, Filme spannend schneidet und beim Dreh von Filmen und Videos die Kamera souverän führt. Sie lernt aber auch, was gute Fotos von schnellen Schnappschüssen unterscheidet: eine professionelle Bildgestaltung. Damals erlernte Grundsätze sind für Margit Wild bis heute gültig: „In einem guten Foto darf nichts aus dem Rahmen fallen. Alles muss Zeichnung und Kontur haben. Vorder- und Hintergrund müssen harmonisch sein, Harmonie geht vor Schärfe.“

1994 bis 1996 organisiert sie am Rostocker Institut für neue Medien Workshops für Kinder, 1996 bis 1997 ist sie Kamerafrau und Cutterin beim Rostocker Stadtfernsehen – eine Schule der besonderen Art: „Da habe ich gelernt, in Bildern zu sehen und mit Bildern Geschichten zu erzählen.“ Diese Erfahrung hilft: Von 2001 bis 2004 ist sie Fotografin der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) in Rostock, wo sie ihr Herz für grüne Themen, für Gartengestaltung, Nachhaltigkeit und kreative Deko entdeckt. Danach ist für Margit Wild klar: „Ich wollte keinen Chef mehr haben.“

Margit Wild macht einen Businessplan und einen klaren Cut: Ab April 2004 ist sie freie Bildjournalistin. Zu ihren ersten Kunden gehören die IHK Rostock ebenso wie Garten-, Frauen-, Lifestyle-Magazine. Mit ihrem besonderen Blick für und ihrem Ohr an der Region, ihrer Zuverlässigkeit und Spontanität erobert sie nicht nur Kunden, sie schließt auch Menschen auf, die selten vor einer Kamera stehen.

Apropos: Ihre Kamera, die passenden Objektive und die notwendige Software haben den Wert eines Kleinwagens, müssen ständig gewartet und regelmäßig erneuert werden – ein Fakt, den Kunden bei der Preisgestaltung nicht immer im Blick haben. Doch am Ende zählt neben der teuren Technik der Mensch hinter der Technik. Margit Wild: „Ein Bild ist so gut wie das Auge des Fotografen. Trotz glänzender technischer Möglichkeiten ist es noch immer die Kunst des Fotografen, Wirklichkeit in spannende Motive zu verwandeln.“ Daran wird, so glaubt sie, auch künstliche Intelligenz wenig ändern.